Pädagogische Schwerpunktsetzung (Profil): Konzept: Diakonisches Lernen / Berufs- und Studienorientierung
Das Bewusstsein, dass wir alle eine Verantwortung dafür haben, dass das gemeinschaftliche Leben und Lernen gelingt, ist Leitgedanke unserer Schule als Evangelische Schule. Sie ist für uns ein Ort der Vielfalt, in dem sich Schüler und Lehrer begegnen, die sich in Aussehen, Herkunft, Fähigkeiten, in ihren religiösen und weltanschaulichen Einstellungen und ihren Interessen voneinander unterscheiden. Eine unserer größten Aufgaben liegt somit in der Würdigung eines jeden Einzelnen. Für das Lehren und Lernen an unserer Schule bedeutet das, die Fähigkeiten jedes einzelnen Schülers zu erkennen, zu stärken und neue zu entwickeln. Im Schulprofil der Evangelischen Schule Neuruppin ist unser Verständnis vom Erziehungs- und Bildungsauftrag von Schule fest verankert: „Zu den Aufgaben der Schule gehört es, die Schülerinnen und Schüler für ethisch-soziale Fragen zu sensibilisieren und Haltungen und Verhaltensweisen einzuüben, die zu einem sinnerfüllten Leben in ihren individuellen und gesellschaftlichen Bezügen helfen. Unsere schulische Erziehung soll die Schülerinnen und Schüler befähigen, die christliche Verantwortung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung zu entdecken und so weit wie möglich in die persönliche Lebensorientierung hineinzunehmen.“ (Schulprofil der Evangelischen Schule Neuruppin, 1997)
Der schulische Erziehungs- und Bildungsauftrag ist in dem Klärungsprozess manifestiert, was für Schüler ein ‚sinnerfülltes Leben‘ im Hinblick auf sich selbst und auf ihren Gestaltungsbeitrag zur Zivilgesellschaft bedeutet, sei es aus christlicher Perspektive, sei es wenigstens aus einer geklärten Grundhaltung heraus. „Bildung meint den Zusammenhang von Lernen, Wissen, Können, Wertbewusstsein und Handeln im Horizont sinnstiftender Lebensbedeutungen.“ (Maße des Menschlichen. Evangelische Perspektiven zur Bildung in der Wissens- und Lerngesellschaft, EKD 2003) Auf Grundlage der gegenseitigen Anerkennung wird Bildungsgerechtigkeit umgesetzt und dem Schüler eine an seinem Lebenslauf orientierte Sicht auf Bildung zuteil.
Aus dem Schulprofil und dem Schulprogramm der Evangelischen Schule Neuruppin heraus ist folgerichtig das bildungs- und das sozialpolitische Engagement als Einheit zu betrachten. Daraus ergibt sich für unsere Evangelische Schule Neuruppin, dass die Berufs- und Studienorientierung sich aus dem diakonischen Lernen ableitet. Unsere Zivilgesellschaft braucht eine Kultur des Miteinanders und des Helfens. Die Förderung der Identitätsbildung ermöglicht eine bessere soziale Orientierung und befähigt zur Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung. „Bildung und Erziehung haben in christlicher Sicht nicht nur jene Fähigkeiten zu wecken und zu stärken, die gerechten, sondern die zugleich auch fürsorglichen Lebensverhältnissen dienen: einer Kultur des Mitgefühls, der Barmherzigkeit und der Hilfsbereitschaft.“ (Maße des Menschlichen. Evangelische Perspektiven zur Bildung in der Wissens- und Lerngesellschaft, EKD 2003)
Die Verzahnung von diakonischem Lernen und Studien- und Berufsorientierung kann die Frage beantworten, wie schulisches Lernen aus den individuellen Bedürfnissen der Schüler heraus gestaltet werden muss, um in der Vorbereitung des Übergangs von Schule in die Lebenswelt wirksam zu werden. Der Prozess der Persönlichkeitsentwicklung, welchen die Schüler gerade in den Schuljahren der Sekundarstufe I durchlaufen, ist folgenreich. Entwicklungspsychologisch befinden sich die Jugendlichen im Übergang zwischen Kindheit und frühem Erwachsenenalter. Diese Phase der Identitäts- und Orientierungsfindung ist durch vielfältige Bewältigungsleistungen gekennzeichnet.
„Jugendliche brauchen die Schule als Fenster zur Welt.“ (Gute Schule aus evangelischer Sicht. Impulse für das Leben, Lehren und Lernen in der Schule, EKD 2016, S. 12) Die Evangelische Schule Neuruppin ermöglicht auf ihrem evangelischen Schulprofil heraus allen Schülern - unabhängig davon, wo sie herkommen und wo sie aufwachsen - sich ein Bild von dieser Welt und der sie umgebenden Gesellschaft zu machen, diese zu erkunden, sich zu erproben und in wichtigen Bereichen des Lebens Schritt um Schritt orientierungs- und handlungsfähig zu werden. Daraus ergibt sich auch zwingend die Frage nach dem Auftrag von Schule, dass sich die Jugendlichen in der Gesellschaft orientieren können und für sich klären, welchen beruflichen Weg sie nach der Schule einschlagen wollen.
Die Vorbereitung auf die Berufs- und Arbeitswelt ist ein zentraler und wichtiger Bestandteil des Lernens an der Evangelischen Schule Neuruppin. Ziel der Berufs- und Studienorientierung ist es, den Schülern Einblicke in das Arbeitsleben zu vermitteln, Orientierungshilfen für die eigene Berufswahl zu geben und sie auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes realitätsnah vorzubereiten. Die Schüler sollen befähigt werden, bewusste Berufswahlentscheidungen zu treffen. Dazu gehören vor allem auch praktischer Unterricht in Werkstätten der Berufsausbildung, Praktika in Einrichtungen und Betrieben der Region und Angebote für ein Bewerbungstraining. Die Schüler nehmen regelmäßige Angebote der Berufs- und Studienorientierung wahr und sollen die Möglichkeit erhalten, durch eine enge Verzahnung von Schule und ortsansässigen Betrieben für sich einen Berufswunsch zu erarbeiten und die Fähigkeiten für einen erfolgreichen Berufseinstieg zu erlangen. Um den Schülern solche Chance zu eröffnen, werden Unterrichtsinhalte und Unterrichtsorganisation auf dieses Ziel hin ausgerichtet. „Entsprechende Maßnahmen der Berufs- und Studienorientierung werden den unterschiedlichen Entwicklungsständen der Jugendlichen in ihrem Berufsorientierungsprozess gerecht, nehmen in diesem Prozess die Potenziale der Jugendlichen, ihre zu entwickelnden Kompetenzen in den Fokus, ermuntern sie ihre Talente zu entwickeln und geben ihnen die nötige Förderung bei der Entwicklung ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten.“ (Landesstrategie zur Berufs- und Studienorientierung im Land Brandenburg, Ministerium für Bildung, Jugend und Sport, 2015)
Die Schüler benötigen einen Lernraum, um für sich ihre Ziele und Entwicklungsbereiche zu klären:
„Wer bin ich?“
„Was kann ich?“
„Was will ich werden?“
„Was brauche ich dazu?“
„Wie komme ich dahin?“
„Wie kann ich es ausprobieren?“
Bildung ist zuerst Persönlichkeitsbildung. Zu einem selbstbestimmten Leben gehört die Klarheit über die eigenen Ziele, die in Auseinandersetzung mit den eigenen Wünschen, Anlagen und Fähigkeiten und den Zielen der Gemeinschaft entsteht. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit den weltanschaulichen Grundlagen, die das Selbst konstituieren. Es gilt die Tendenz zu durchbrechen, Bildung auf verwertbares Wissen zu reduzieren und Erfolg nur an ökonomischer Leistungsfähigkeit zu orientieren. Kinder und Jugendliche haben ebenso wie Erwachsene das Anrecht, als Subjekte darauf angesprochen zu bleiben, sich selbst bestimmen zu können und dürfen. (Maße des Menschlichen. Evangelische Perspektiven zur Bildung in der Wissens- und Lerngesellschaft, EKD 2003)
Die Evangelische Schule Neuruppin ermöglicht den Schülern gesellschaftliche Teilhabe. Dazu ist sie im kirchlichen, sozialen, politischen, kulturellen und ökologischen Umfeld vernetzt. Durch die Verzahnung von Unterricht, außerschulischer Bildung und flexiblen Lernorten werden die Schüler zu zivilgesellschaftlichem Engagement und Ehrenamt angeleitet und in ihren individuellen Stärken gefördert.
Die Reformatoren prägten ein evangelisches Bildungshandeln, das den Schülern Wege bereitet, das eigene Leben selbstständig und verantwortungsvoll zu führen und an den Anliegen der Gemeinschaft Teil zu haben. So forderte Philipp Melanchthon: „Weder Bollwerk noch Mauern sind beständigere Schutzwehren der Städte als Bürger mit Bildung, Besonnenheit, Klugheit und andere Tugenden geschmückt.“ Der Gedanke des Bildungsverständnisses von Wilhelm von Humboldt, die Bestimmung des Menschen in Freiheit und Selbstbestimmung zu sehen und das Aufwachsen als einen Prozess zu verstehen, in dem sich der Mensch die Welt selbsttätig aneignet und sich und die Welt zugleich gestaltet, so dass er seine Identität findet, wirkt bis in unsere Zeit. „Eben deshalb sollte der Staat, nach Humboldts Meinung, seine zukünftigen Bürger nicht zu Fachidioten nach den Bedürfnissen des Marktes ausbilden, sondern in erster Linie zu Bürgern! Und dafür musste man lernen, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen, sich einzubringen, mitzuwirken und dabei über den eigenen Tellerrand zu schauen.“ (Richard David Precht, Anna, die Schule und der liebe Gott. Goldmann, 2015, S. 34)
Im sozialen Umgang miteinander und mit Menschen in ihrem Umfeld entwickeln die Schüler Grundorientierungen, Urteilskraft und Kompetenzen für gesellschaftliche Teilhabe und verantwortungsbewusstes menschliches Handeln. Sie lernen gesellschaftliche Normen und Werte kennen und setzen sich mit diesen – auch kritisch – auseinander. Der Bildungsauftrag „demokratisch handeln lernen“ erhält eine ganz neue Chance und Perspektive, weil Schule den Kindern und Jugendlichen die Anbindung an eine demokratische und offene Gesellschaft und die selbstständige Rückbindung in den gesellschaftlichen Raum ermöglicht.
Evangelische Bildung hat zum Ziel, die Wechselwirkung zwischen Selbstbestimmung und Gemeinwohlentwicklung voranzutreiben, um dem Solidargedanken eine Chance (Zukunft) zu geben. Die traditionellen Wurzeln des Selbst kommen aus einer Einheit von Ort, Gemeinschaft, Kultur, Sprache und Religion. Gegenwärtig findet ein Transformationsprozess statt, der die traditionellen Wurzeln in größere Zusammenhänge stellt, Räume entgrenzt und auch lokal Pluralität entstehen lässt. Schule und Gesellschaft benötigen daher einander gegenseitig: „Die Aufgaben der Schule beschränken sich nicht auf die aktuellen Problemlagen und heutigen Anforderungen. Es ist vielmehr Aufgabe demokratischer Staaten und der mit ihnen verbundenen Gesellschaften, in die Schule ihre Zukunftsvisionen sozialen Zusammenlebens einzutragen.“ (Gute Schule aus evangelischer Sicht. Impulse für das Leben, Lehren und Lernen in der Schule, EKD 2016, S. 39)
Diakonisches Lernen mit Berufs- und Studienorientierung zu verbinden, zielt konsequent auf eine Persönlichkeitsentwicklung, die im Sinne Martin Luthers dem Frieden, Recht und Leben dient und durch welche die Schüler eine innere Haltung finden, um verantwortungsvoll Entscheidungsprozesse zu gestalten und in Krisensituationen konstruktiv zu handeln. „Evangelische Bildung hilft Menschen zu werden, was sie sind: Ebenbilder Gottes, deren Bestimmung die verantwortliche Wahrnehmung ihrer Freiheit ist. Evangelische Bildung geht damit über das bloße Bemühen um eine Ausbildung für gesellschaftliche Erfordernisse und eine Anpassung an sie hinaus.“ („Salz der Erde“, Perspektivprogramm der EKBO, Berlin 2007, S. 35)
Die Evangelische Schule Neuruppin hat auf dieser Grundlage ein durchgehendes Konzept „Diakonisches Lernen/ Berufs- und Studienorientierung“ erarbeitet.
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