Titel/Überschrift | Europabildung in der Schule: Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz | Ausgangslage/ Situation/ Begründung | An der Evangelischen Schule Neuruppin ist Religion reguläres Unterrichtsfach für alle Schüler. Die vom Konsistorium genehmigte Schulkonzeption sieht eine durchgängige Belegung des Unterrichtsfaches bis zum Abitur vor. Aufgrund der Vorgaben des Landes Brandenburg zur Stundentafel in der Sekundarstufe II wird Religion in der Qualifikationsphase als Wahlfach gleichrangig im Aufgabenfeld II angeboten. Der pflichtige Religionsunterricht der gymnasialen Oberstufe wird in der Einführungsphase zur gymnasialen Oberstufe im Rahmen des Projektunterrichts zur Thematik „Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz“ erteilt. | Konkretes bestehendes Angebot | Die Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz ist eine verbindliche Jahrgangsfahrt für alle Schüler der 10. Jahrgangsstufe des Gymnasiums der Evangelischen Schule Neuruppin. | Ziel / Absicht | Gedenkstätten sind immer auch Orte des Lernens und Begreifens. An den Orten der Verbrechen stellt sich die Frage "Wie konnte es dazu kommen?" besonders eindringlich. Die Bereiche Gedenken - Mahnen - Forschen und Lernen sollen die Fahrt dabei inhaltlich tragen. Das Nie-Wieder setzt zum einen das Nie-Vergessen voraus, muss aber auch insofern in unsere Gegenwart hineinreichen, dass wir bereit sein müssen, jede Entwicklung, die eine Ausgrenzung beinhaltet, zu bekämpfen. Die Schüler in diesem Sinne zu sensibilisieren und stark zu machen, ist eines der Kernziele der geplanten Fahrt und reicht damit ein wesentlicher Aspekt unserer Erziehungs- und Bildungsarbeit. Bedingt durch den mit der zeitlichen Entfernung immer geringer werdenden persönlichen Bezug der Schüler zur NS-Zeit, halten wir es für sinnvoll, neben der kognitiven Annäherung an die Zeit auch das Einfühlen in Einzelschicksale zu ermöglichen, um durch diese Form der Empathie das Verständnis der Schüler für die historischen Entwicklungen zu fördern und so auch bis in die Gegenwart zu wirken.
Diese Fahrt soll Jugendliche für den Gedanken sensibilisieren, dass Erinnerungsarbeit zukunftsorientiert geleistet werden kann und muss. Das Sammeln von authentischen Erfahrungen "vor Ort" ist in zweierlei Hinsicht nachhaltig: Die Begegnung mit gleichaltrigen polnischen Jugendlichen und der Gedenkstätte Auschwitz bietet einen authentischen Raum für die ganz konkrete Auseinandersetzung mit Fragen einer gesellschaftlichen, "deutschen" Schuld und der persönlichen Verantwortung. Zum anderen lernen sich die Jugendlichen in Alltagskontexten kennen. Diese Form der Begegnung, gleichsam frei von historischen Emotionen, ermöglicht eine andere Art der Realisierung der politischen Mitverantwortung. Zudem eröffnet sich gerade für die "Nach-Wende-Kinder" eine besondere Chance des Zusammenwachsens innerhalb Europas. Die Jugendlichen machen persönliche Erfahrungen im respektvollen Umgang mit anderen Kulturen, der jüdischen, der katholischen und der polnischen. Dieses Projekt bietet vielschichtige und vielseitige Kommunikationsmöglichkeiten und persönliche Begegnungen, die den Abbau von Vorurteilen und Ausgrenzungen aller Art zum Ziel haben. Der theologische Ansatz ist vor allem vor dem Hintergrund der Theodizee-Frage zu sehen. Schüler stellen immer wieder die Frage "Wo war Gott in Auschwitz?", die dann weitergeführt werden kann, "Wo war der Mensch in Auschwitz?". Von der Beantwortung dieser zweiten Frage, gerade auch heute, hängt letztlich die Beantwortung der ersten Frage ab und damit auch unsere Möglichkeiten Schülern Perspektiven aufzuzeigen, die ihr weiteres Handeln beeinflussen.
Gerade an einer konfessionellen Schule sind wir als Unterrichtende immer wieder als Persönlichkeit und Mensch gefragt und sollten über das "Nie-wieder durch Erinnerung" der Geschichtsdidaktik hinaus zu Antworten kommen. Dass das Erinnern an die Shoa über eine Vermeidung der Wiederholung der Barbarei hinausgehen muss, ist auch für unser Leben und unseren Glauben heute wichtig. Wenn wir uns nämlich fragen, wo war der Mensch, muss das letztendlich auch zu einem tätigen Glauben führen.
| Rahmenbedingungen Termine (Beginn/ Ende) Beteiligte Verantwortliche Ressourcen | Das Jahrgangsteam 10 koordiniert in Absprache mit der stellv. Schulleiterin die Organisation der Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz. Die Planungen dazu beginnen ab Ende des Schuljahres, das der Gedenkstättenfahrt vorausgeht. Das Jahrgangsteam 10 nutzt die Jahrgangsteamsitzungen im laufenden Schuljahr, um den Planungsprozess zu begleiten.
Das die Gedenkstättenfahrt begleitende Lehrerteam besteht aus 8 Kollegen, d. h. den Klassenlehrern der 10. Klassen sowie mindestens einem Geschichts- und Religionsfachlehrer. Als günstig hat sich erwiesen, Kollegen einzubinden, welche die Fahrt schon einmal begleitet haben. Außerdem werden die Schüler von so Teamern begleitet, Schülern aus dem 11. oder 12. Jahrgang und z. T. auch ehemaligen Schülern, die die Fahrt selbst schon einmal gemacht haben und so zu Ansprechpartnern für ihre Mitschüler werden können.
Im Verlauf des 10. Schuljahres werden die Schüler durch unterschiedliche schulische Veranstaltungen auf den Besuch der Gedenkstätte Auschwitz/Birkenau eingestimmt:
- Im Geschichtsunterricht werden sachliche Hintergründe und Informationen zur Zeit des Nationalsozialismus mit den Schwerpunkten "Kinder und Jugendliche in der NS-Zeit" sowie "Holocaust" erarbeitet.
- An den Tagen des fächerverbindenden Unterrichts werden thematische Einzelaspekte durch Workshops und Exkursionen zu Erinnerungsorten, Museen und Ausstellungen u. a. vertieft. Die fachliche Verantwortung liegt bei den Fachkonferenzen Geschichte/PB und Religion.
- Im Mai/Juni finden zwei Projekttage statt. Im Mittelpunkt stehen Gespräche mit Zeitzeugen. Darüber hinaus wird die Projektarbeit vor Ort vorbereitet sowie die organisatorische Feinplanung vorgenommen. Die Schüler haben in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, auch eventuelle Ängste anzusprechen.
Die Gedenkstättenfahrt findet im Kursfahrtenzeitraum zum Ende des Schuljahres statt.
Die Unterbringung erfolgt in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte des Deutsch-polnischen Jugendwerks in Oswiecim (IJBS). Die Umsetzung des Programms erfolgt in enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Programmreferenten der IJBS.
Die Schüler kommen vor Ort in verschiedenen Projektgruppen zusammen. Die Authentizität des Ortes ist dabei eine wichtige Voraussetzung für die projektorientierte Herangehensweise. Im Mittelpunkt stehen der Besuch der beiden Teile der Gedenkstätte Auschwitz und Birkenau sowie vor allem kreative Verarbeitungsformen des Erlebten.
Jeder begleitende Kollege gestaltet eine Projektgruppe; einige der Projekte werden auch von Schülern geleitet. Die Projektgruppen arbeiten weitgehend selbstständig, wobei sich die Schüler ihr Thema auswählen. Die Projektgruppenergebnisse werden an einem gemeinsamen Abschlussabend im Rahmen der Gedenkstättenfahrt präsentiert.
Außerdem besteht auch die Gelegenheit zu einer interkulturellen Begegnung mit polnischen Schülern. Der Kontakt zum Lyceum Konarskiego in Oswiecim besteht seit nunmehr 10 Jahren. Des Weiteren findet ein Tagesausflug nach Krakau, die alte polnischen Hauptstadt, statt, um sowohl einen Einblick in die wechselhafte polnische Geschichte, die immer auch eng mit der deutschen Geschichte zusammenhing, als auch in die jüdische Geschichte in Europa vor dem Holocaust zu vermitteln.
Das Team der begleitenden Kollegen verständigt sich über die Eckpunkte der Vorbereitung und Durchführung der Gedenkstättenfahrt (i. e. S. Finanzierung, Programm, Transfer, Kontakt zur IJBS).
Für die Finanzierung der Gedenkstättenfahrt werden neben dem Eigenanteil der Teilnehmer auch Zuschüsse des DPJW, der Kirchenkreise, der Luther-Stiftung und anderer Institutionen requiriert.
| Fortbildungsbedarf | Für die teilnehmenden Lehrkräfte Schwerpunkte im Bereich der Gedenkstättenpädagogik, u. a. Angebote des DPJW, der Aktion Sühnezeichen, verschiedener Institutionen der politischen Bildung | Evaluation Wann ist das Projekt erfolgreich? Wie wird evaluiert? | Im Rahmen ihres Aufenthalts in der IJBS gestalten die Schüler jeden Abend klassen- oder projektgruppeninterne Reflexionsrunden.
Die Intensität der Auseinandersetzung mit dem Thema der Gedenkstätte führt immer wieder zum Hinterfragen des Umgangs miteinander. Der Erfolg dokumentiert sich nicht nur in den Präsentationen der Arbeitsergebnisse in Oswiecim und in Neuruppin, sondern auch in vielen Äußerungen der Schüler, die sich froh und dankbar zeigen, mit dabei gewesen zu sein.
Das gemeinsame Handeln der Schüler in der Projektarbeit führt zu einer höheren Akzeptanz untereinander.
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